Weihnachten – Jedes Jahr eine wunde Zeit für trauernde Eltern und Geschwister. Denn immer wird das geliebte Kind, die Schwester, der Bruder fehlen.
Vielen Dank, liebe Katrin Hartig, dass du deine Erfahrungen als trauernde Mutter und Trauerbegleiterin in diesem LinkedIn-Beitrag schilderst.
Vielen Dank auch für deinen Tattoo-Artikel im „Leidfaden“. Ich freue mich, dass du meine Tattoo-Geschichte ausgewählt hast, darüber erzählst und einige Fotos zeigst. Großartig, dass Rainer Simader und sein Redaktionsteam das Thema aufgegriffen haben.
Leidfaden 2023 Jg. 12, Heft 4: Vom Berührtsein und von der Kunst der Berührung
Der Leidfaden ist DAS Fachmagazin für Krisen, Leid, Trauer.
Mein Tattoo – mein Mal der Erinnerung
Das Tattoo ist für mich ein Mal der Erinnerung. Es erzählt eine Geschichte. Unsere Familiengeschichte. Bunte Tränen von Schmerz und Liebe unter der Haut. Es ist Ausdruck einer großen inneren Wunde. Es ist ein Beweis für mich, das ich ein wundervolles Kind geboren und begraben habe. Es erinnert an Charlies Lachen, an seine Persönlichkeit, an alles, was diesen kleinen, großen Menschen ausgemacht hat.
Durch das Tattoo konnte ich mich immer vergewissern: Ich bin Mutter, ich habe einen Sohn. Vor allem in den ersten Jahren hat mir der Blick auf das Tattoo Halt und Sicherheit geschenkt. Mit jedem Stich der Tätowiernadeln wurde der Verlust ein sichtbarer Teil meines Körpers. Ich konnte ihn anfassen. Das unterstützte meinen Prozess des Begreifens. Das Tattoo war eine Krücke, um weiter gehen zu können.
Gleichzeitig steckt in den ausgewählten Motiven ein ganzes Leben, eine ganze Welt, die ich fühlen will und über die ich gerne spreche. Dank des Tattoos komme ich in den Austausch mit anderen Menschen. Es dient als Brücke und bietet Gesprächsanlass. Mein Sohn ist hautnah dabei. Ich höre ihn reden, lachen, sehe ihn vor meinem inneren Auge, ich spüre die Nähe zu ihm und die große Liebe, die ewig fließt. Das ist schön und macht mich glücklich.
Das Tattoo erinnert mich auch immer wieder daran, dass das Leben und damit auch das Leid, die Sehnsucht, das Vermissen, endlich sind. Wie schön! Umso mehr wäge ich ab, was ich will und was nicht, was mir gut tut, was nicht. Das Tattoo erinnert mich daran, mein Leben bestmöglich zu gestalten. Ich versuche jeden Tag, den ich atme, zu genießen. Das war nicht immer so.
Der Anlass für das Tattoo war der Schmerz des Verlustes, der Wunsch, etwas von meinem Kind bei mir zu tragen, geboren aus der Trauer, die doch Liebe ist. Es ist ein Erinnerungstattoo.
Quelle Foto: Katrin Hartig, LinkedIn, „Zeit voller Symbole und Rituale„, abgerufen am 30.12.2023