Drei Freunde schauen sich das nachfolgende Bild an. Schnell entfacht sich ein Streit, weil jeder etwas anderes „sieht“. Alle drei beharren auf ihrem Standpunkt. Sie werden laut und wütend, da „ihre“ Realität nicht gesehen wird. Jeder denkt, er sei im Recht.
„Es sind Vögel!“
„Nein! Kaninchen!“
„Nein! Robben mit Geburtstagshüten!“
„Nein! Vögel! Das sieht doch jeder!“
Wer hat nun Recht? Keiner und alle.

Kippbilder Kerstin Hau

Farben, Striche und Punkte ergeben ein Bild. Da sind die Freunde sich einig. Das sind die Fakten. Doch was das Bild darstellt, bewertet und interpretiert jeder für sich. Wie stellen die Freunde eine gemeinsame Realität her?

„Ich bin genervt, weil keiner sieht, was ich sehe!“, beschwert sich der Erste.
Den beiden anderen geht es ebenso.
„Dann zeig uns das, was du sieht? Wo ist der Schnabel?“
„Hier, diese Striche und die orange Farbe, das ergibt für mich den Schnabel.“
„Ach so. So siehst du das.“ Für den Zweiten sind es die Ohren, für den Dritten ist es ein Hut. „Aha! Oho!“
Jeder beschreibt, was er sieht. Alle drei sind zufrieden. Am Ende lachen sie, weil sie drei verschiedene Tiere entdeckt haben, sich wieder vertragen und weil jeder in seinem persönlichen Erleben gesehen wurde. Das verbindet. Echte Freunde eben.

Eine gelingende Kommunikation bzw. die Lösung eines Problems beginnt dann, wenn die Gesprächspartner bei den Fakten bleiben, über ihre tatsächlichen Gefühle und Bedürfnisse sprechen und den Blickwinkel des jeweils anderen einnehmen.
Was will ich, was willst du?
Warum?
Was sehe/höre/fühle ich?
Was siehst/hörst/fühlst du?
Durch welche Brille nimmst du die Welt wahr?
Sprechen wir von den gleichen Dingen?
Siehst du einen Vogel, ein Kaninchen oder eine Robbe mit Geburtstagshut?

Positionen sind Standpunkte, die ich durchsetzen will. Sie erscheinen zwingend, werden verteidigt, umkämpft, angegriffen. Positionen werden starrer, je länger ein Konflikt dauert. In Vergessenheit geraten dabei Bedürfnisse, die jeder Position zu Grunde liegen. Diese Bedürfnisse können sowohl materiell wie emotional sein. Bedürfnisse werden ergründet, nicht bewertet. Wer Positionen hinterfragt, um auf die zugrunde liegenden Bedürfnisse zu kommen, beendet den Angriff auf andere.

Quelle: Altenburg-van Dieken, M. (2017): Rubrik PRAXIS „Was braucht konstruktive Konfliktbearbeitung?“ – Konflikte als Chance für die Entwicklung einer Gemeinschaft. Klasse leiten. Seelze: Friedrich Verlag GmbH. 1 Jg., Heft 1, S. 18ff.